Begriffklärungen & Rahmenbedingungen
Komplementärmedizin:
Unter dem Begriff Komplementärmedizin wird ein breites Spektrum von Disziplinen und Behandlungsmethoden zusammengefasst, die auf anderen Modellen der Entstehung von Krankheiten und deren Behandlung basieren als jene der Schulmedizin. Definitionsgemäß werden sie ergänzend zur Schulmedizin eingesetzt (BMSAGPK, 2019, S.1).
Die Begrifflichkeiten Alternativmedizin, Complementary and Alternative Medicine (CAM), Ganzheitsmedizin, Integrative Medizin, Naturheilkunde oder traditionelle Medizin – wie beispielsweise traditionell chinesische Medizin (TCM), traditionell europäische Medizin (TEM) oder traditionell tibetische Medizin (TTM) – sind verwandte Überbegriffe, die im Vergleich zur klassischen, konventionellen Schulmedizin andere Heilmethoden oder diagnostische Konzepte integrieren (vgl. BMSAGPK, 2019, S.1).
Seitens des Bundesministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird der Begriff komplementär bevorzugt, um damit klar zu signalisieren, dass komplementären Methoden nicht als Alternativen, im Sinne von entweder/oder, sondern ergänzend und begleitend zur Schulmedizin verstanden werden (vgl. BMSAGPK, 2019, S.1)
Komplementäre Methoden:
Komplementäre Methoden finden nicht nur in der Medizin Anwendung, sondern werden auch von Angehörigen anderer Gesundheitsberufe, beispielsweise Psychotherapeut:innen, klinische Psycholog:innen, Gesundheitspsycholog:innen (vgl. BMSAGPK 2019, S.1), Hebammen, Physiotherapeut:innen, Ergotherapeut:innen, Medizinische Masseur:innen und Heilmasseur:innen sowie Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Pflegeassistenzberufe angewandt (vgl. Halmich, 2025a, S.1).
Im multiprofessionellen Versorgungsteam hat jede Berufsgruppe ihren Platz (!) und kann durch ihre Interventionen zu einer höchstmöglichen Lebensqualität der ihnen anvertrauten Patienten beitragen. Komplementäre Pflegemethoden wenden DGKP eigenverantwortlich an (Informationen einholen, Problem erkennen, Bedarf feststellen, Indikation klären, Ziel festlegen, Beratung oder Intervention setzen, ggf. Wirkungskontrolle, Dokumentation). (Halmich, 2025b, S.1; Hervorhebungen ÖGKOP)
- PA und PFA dürfen nach Anordnung von DGKP Pflegeinterventionen durchführen; nach Anordnung von Ärzten bzw. einer Subdelegation von DGKP auch medizinische Interventionen. Die Befugnisse ergeben sich aus dem Qualifikationsprofil bzw. den Kompetenzregelungen im GuKG (PA = § 83 GuKG, PFA = § 83a GuKG).
- DGKP dürfen im Rahmen ihrer pflegerischen Kernkompetenzen auch komplementäre Pflegemethoden anwenden (§ 14 GuKG) und zur Unterstützung auch PA bzw. PFA einbeziehen. Sohin dürfen PA und PFA übertragene komplementäre Pflegemaßnahmen durchführen und deren Wirkung beobachten (Halmich, 2025c, S.1, Hervorhebungen ÖGKOP).
- Nach entsprechender Delegation durch die DGKP führen PFA (Pflegefachassistent:innen) die übertragenen Pflegemaßnahmen eigenverantwortlich durch. PA (Pflegeassistent:innen) unterliegen nach einer entsprechenden Anordnung durch die DGKP auch deren Aufsicht (vgl. Halmich, 2025c, S.2).
- Gemäß § 90 GuKG dürfen PFA (Pflegefachassistent:innen) und PA (Pflegeassistent:innen) ausschließlich in einem Anstellungsverhältnis und nicht selbständig, also freiberuflich, tätig werden (vgl. Halmich, 2025c, S.2).
Unter dem weiteren Begriff Komplementäre Methoden, der alle Gesundheitsberufe gleichermaßen erfasst, wird ein breites Spektrum von Disziplinen und Methoden zusammengefasst, die auf ganzheitlichen Konzepten beruhen und
- präventiv sowie
- ergänzend,
- begleitend und
- unterstützend
eingesetzt werden, um die Gesundheit aufrechtzuerhalten sowie Symptome und Beschwerden zu lindern (Halmich, 2025a, S.1f).
Je nach methodischem Ansatz lassen sich Kategorien differenzieren:
- Mind-Body-Medicine (setzt am Denken & Erleben an z.B. Meditation, Entspannungstechniken)
- Körperbezogene Praktiken mit Anwendung verschiedener manueller Techniken (z.B. Therapeutic Touch®, Shiatsu, Massagetechniken)
- Alternative Bewegungskonzepte (z.B. Feldenkrais)
- Energetische Methoden mit oder ohne spirituelle Komponente, wonach besondere, energetische Kräfte wirken (z.B. Bioresonanz, Prana Energiearbeit)
- Kräuter- und Naturheilkunde (innerliche und äußerliche Anwendung von Kräuter, Tees, Salben, Hausmittel etc.) (BMSAGPK, 2019, S. 1)
Komplementäre Methoden verfolgen einen ganzheitlichen, integrativen Ansatz, wo neben körperliche auch psychische, soziale & spirituelle Aspekte von Gesundheit berücksichtigt werden. Es werden insbesondere die Stärkung der Selbstregulationsfähigkeit sowie die aktive Integration der Betroffenen zur Wiedererlangung von Gesundheit bzw. zur Gesunderhaltung fokussiert (vgl. BMSAGPK 2019, S. 1).
Wer darf komplementäre Methoden anwenden?
Komplementäre Methoden dürfen Gesundheitsberufe und zum Teil auch gewerbliche Berufe anwenden. Unter einem Gesundheitsberuf ist ein gesetzlich geregelter Beruf zu verstehen, dessen Berufsbild die Umsetzung gesundheitsrelevanter Maßnahmen oder Tätigkeiten mit Blick auf die allgemeine Bevölkerungsgesundheit umfasst. In Österreich werden über 30 verschiedene Gesundheitsberufe differenziert.
Welche Gesundheitsberufe auch eigenverantwortlich komplementäre Methoden im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit ausüben dürfen, ist mit Blick auf das jeweilig gesetzlich geregelte Berufsbild bzw. die im Berufsgesetz geregelten Kompetenzbereiche zu klären (vgl. Halmich, 2025a, S.2).
Gesundheitsbezogene Gewerbe (gemäß Gewerbeordnung), wie Bandagisten, Fußpflege, Kosmetik, Lebens- und Sozialberatung, Massage einschließlich Shiatsu, Ayurveda Wohlfühlpraktik, Tuina An Mo Praktik und „andere ganzheitlich in sich geschlossene Systeme“ oder Humanenergetiker zählen nicht zu den Gesundheitsberufen (gemäß § 2 Absatz 1 Ziffer 11 Gewerbeordnung 1994). Gesundheitsbezogene Gewerbeberufe werden nicht zu therapeutischen Zwecken tätig, ihr Arbeitsgebiet ist die Steigerung des Wohlbefindens (Quelle: Wirtschaftskammer, Massagegewerbe). Gesundheitsbezogene Gewerbeberufe dürfen unbedenklich nur an Nicht-Kranken bzw. nicht-krankheitsverdächtigen Personen Tätigkeiten erbringen (Quelle: Öst. Plattform gesundheitsbezogener Berufe). (Halmich, 2025a, S.2; Hervorhebungen ÖGKOP).
Ist eine Gewerbeberechtigung nötig?
In den Berufsgesetzen der einzelnen Gesundheitsberufe ist stets die Regelung enthalten, dass für die Ausübung des jeweiligen Berufes die Gewerbeordnung nicht zur Anwendung gelangt, wie beispielsweise § 3 Absatz 2 Gesundheits- und Krankenpflegegesetz. Zusammengefasst bedeutet dies, dass Gesundheitsberufe für Tätigkeiten, die sie im Rahmen ihres Berufes erbringen, keine Gewerbeberechtigung benötigen. (Halmich 2025a, S.2; Hervorhebungen ÖGKOP).
- Auf die Ausübung des Gesundheits- und Krankenpflegeberufes findet die Gewerbeordnung keine Anwendung (§ 3 GuKG).
- DGKP benötigen demnach bei Tätigkeiten, die von ihrem Berufsbild erfasst sind, keine Gewerbeberechtigung.
- Dies wird auch im § 2 Absatz 1 Ziffer 11 Gewerbeordnung klargestellt. (Halmich 2025b, S.3; Hervorhebungen ÖGKOP).
- Auch PA und PFA benötigen demnach bei Tätigkeiten, die von ihrem Berufsbild erfasst sind, keine Gewerbeberechtigung (vgl. Halmich, 2025c, S.2).
Zu beachten:
- Das (Weiter-)Verkaufen von diversen Pflegeprodukten oder das Vermitteln von 24-h-Betreuungspersonen fällt beispielsweise nicht in das Berufsbild der DGKP und bedarf daher gesondert eines Gewerbescheins.
Wann ist die Einbeziehung von Ärztinnen bzw. Ärzten nötig?
- Wenn die auf den Körper einwirkende Methode ohne vorheriger ärztlicher Abklärung mit einem erheblichen Gesundheitsrisiko verbunden ist (…)
- Wenn der Gesundheitszustand eines Patienten dies erfordert.
- Wenn gefahrendrohende Zustände beim Patienten auftreten, die eine ärztliche Diagnostik oder Behandlung erforderlich machen.
- Wenn Risikofaktoren erkennbar werden oder Komplikationen auftreten, die eine ärztliche Abklärung erforderlich machen. (Halmich 2025b, S.2).
- Für PA/PFA zusätzlich: Wenn die Tätigkeit nicht nach der vorgegebenen Anordnung ausgeübt werden kann (Halmich 2025c, S.2).
Komplementäre, ganzheitliche bzw. integrative pflegerische Angebote können ganz entschieden zur Stärkung des Wohlbefindens, zur Linderung und Bewältigung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. Beschwerden, zur Unterstützung des Heilungsprozesses sowie der Förderung der Lebensqualität aus pflegerischer Sicht und der Gesundheitskompetenz beitragen.
Eine komplementäre Methode ist dann der professionellen Gesundheits- und Krankenpflege zuzuordnen, wenn damit
- Ziele verfolgt werden, die vom Berufsbild der DGKP gemäß § 12 GuKG erfasst sind
- die erforderlichen Kenntnisse und Fertigkeiten in der Ausbildung, Fortbildung, Weiterbildung oder durch Höherqualifizierung (Spezialisierung) erworben wurden und
- die betreffende Methode bzw. Tätigkeit nicht in den Kernbereich des Berufsbildes eines anderen Gesundheitsberufes fällt (vgl. Halmich, 2025, S. 3).
„Im Rahmen der allgemeinen Sorgfaltspflicht und zur Vermeidung einer Haftung (Stichwort: Einlassungs- bzw. Übernahmefahrlässigkeit) haben DGKP nur solche komplementären Pflegemethoden anzuwenden, deren Anwendung sie sicher beherrschen. Zudem ist es wichtig, dass DGKP im Rahmen der Anwendung komplementärer Pflegemethoden nicht einem kranken Patienten den Eindruck vermitteln, eine medizinische Abklärung der krankheitswertigen Symptome sei nicht nötig bzw. die körperliche Beeinträchtigung könne bloß durch die Anwendung dieser Methode „geheilt“ werden. Dies wäre als Verstoß gegen den Arztvorbehalt strafbar“ (Halmich, 2025, S. 4, Hervorhebungen ÖGKOP).
Der Begriff „komplementär“ bedeutet ergänzend, begleitend bzw. zusätzlich.
Komplementäre Pflegemethoden werden ergänzend zur modernen, konventionellen medizinischen Behandlung und Pflege angewendet. Komplementäre Pflegeangebote werden von einem ganzheitlichen Menschenbild und einer respektvollen Haltung getragen. Derart pflegerische Zuwendung fördert in besonderer Weise das Wohlbefinden auf körperlicher, seelischer und geistiger Ebene. Komplementäre Pflegeangebote sind u.a. auf die Stärkung der Selbstheilungskräfte und der individuellen Gesundheitskompetenz ausgerichtet. Für viele Pflegepersonen ist die Anwendung komplementärer Pflegeangebote Ausdruck von Professionalisierung (vgl. UMG, o.J., S. 1).
Ganzheitliche Pflege umschreibt einen „[…] Pflegeansatz, der den gesamten Menschen in den Mittelpunkt stellt und sich nicht nur auf die Behandlung von Krankheitssymptomen beschränkt. Dabei werden körperliche, emotionale und mentale Aspekte der Gesundheit berücksichtigt“ (Studysmarter, 2024, S. 1). Körper, Geist und Seele der zu Pflegenden müssen als Einheit betrachtet und neben physischen auch psychische, mentale und soziale Bedürfnisse als Grundlage professioneller Pflege berücksichtigt werden (vgl. Pflegedienst Hessen-Süd, 2024, S.1).
„Integrative Pflege ist ein umfassendes Konzept, das traditionelle medizinische Pflege mit […] komplementären Ansätzen kombiniert. Es zielt darauf ab, einen ganzheitlichen Ansatz zur Gesundheitsversorgung zu bieten, der sowohl physische als auch emotionale und spirituelle Bedürfnisse […] berücksichtigt“ (Studysmarter, 2024a, S. 1).
Hinweis & Haftungsausschluss:
Die ÖGKOP-Mitgliedschaft ist nicht an einen bestimmten Gesundheitsberuf gebunden. Die Auswahl der von der ÖGKOP unterstützten Methoden erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und stellt die Sichtweise der ÖGKOP dar. Die Anwendung einer seitens der ÖGKOP vertretenen Methode kann immer nur innerhalb der jeweilig geltenden berufsgesetzlichen Rahmenbedingungen erfolgen. Der Vorbehaltstätigkeitsbereich anderer Gesundheitsberufe muss gewahrt bleiben.
Es gilt ferner §15 (4) GuKG zu berücksichtigen:
Im Rahmen der Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen sind Angehörige des
gehobenen Dienstes für Gesundheits- und Krankenpflege berechtigt,
1. Patienten und Klienten an jene Berufsangehörigen weiterzuempfehlen, die aufgrund ihrer
beruflichen Kompetenzen für eine fachgerechte Behandlung, Betreuung und Beratung qualifiziert
sind, bzw. über den weiteren Behandlungspfad zu informieren (Link zum Gesetzestext siehe Startseite).
Auch ist die Eigen- bzw. Durchführungsverantwortung für gesetzte Maßnahmen gemäß Gesundheits- und Krankenpflegegesetz zu bedenken. Jedes ÖGKOP-Mitglied trägt für die in der eignen freiberuflichen Praxis angebotenen Methoden, inklusive deren Bezeichnung und Beschreibung, selbst die Verantwortung.
Literaturverweis:
Halmich, M. (2025): Juristische Stellungnahme zur Craniosacralen Körperarbeit im Rahmen der Gesundheits- und Krankenpflege im Auftrag der ÖGKOP.
Halmich, M. (2025a). Rechtsinformation zur Tätigkeitsausübung im Rahmen der Anwendung komplementärer Methoden, TCM-Akademie für Medizinische Fachkräfte in Kooperation mit dem Jurist Dr. Michael Halmich LL.M., Forum Gesundheitsrecht.
Halmich, M. (2025b). Rechtsinformation zur Tätigkeitsausübung für Diplomierte Gesundheits- und KrankenpflegerInnen (DGKP), TCM-Akademie für Medizinische Fachkräfte in Kooperation mit dem Jurist Dr. Michael Halmich LL.M., Forum Gesundheitsrecht.
Halmich, M. (2025c). Rechtsinformation zur Tätigkeitsausübung für Pflegeassistenzberufe (Pflegeassistenz / Pflegefachassistenz), TCM-Akademie für Medizinische Fachkräfte in Kooperation mit dem Jurist Dr. Michael Halmich LL.M., Forum Gesundheitsrecht.
Pflegedienst Hessen-Süd. (2024). Ganzheitliche Pflege. Abgerufen am 06.09.2024 von https://www.pflegedienst-hessen-sued.de/lexikon/ganzheitliche-pflege/#:~:text=Bei%20der%20ganzheitlichen%20Pflege%20sollen,und%20zum%20Umgang%20zu%20nutzen
Studysmarter. (2024). Ganzheitliche Pflege. Abgerufen am 06.09.2024 von https://www.studysmarter.de/ausbildung/ausbildung-in-der-medizin/anaesthesietechnischer-assistent-ausbildung/ganzheitliche-pflege/
Studysmarter. (2024a). Integrative Pflege. Abgerufen am 06.09.2024 von https://www.studysmarter.de/ausbildung/ausbildung-in-der-medizin/krankenpfleger-ausbildung/integrative-pflege/
UMG = Universitätsmedizin Göttingen. (o.J.). Komplementäre Pflege. Abgerufen am 06.09.2024 von https://pflege.umg.eu/unsere-bereiche/komplementaere-pflege/#:~:text=Komplement%C3%A4re%20Pflege%20verwendet%20naturheilkundliche%20und,kranken%20und%20pflegebed%C3%BCrftigen%20Menschen%20eingesetzt
Die ÖGKOP-Mitgliedschaft ist an Fachkompetenz gebunden und stellt ein Gütesiegel dar.